Ausstellung vom 5. bis 22. September im Q18.
Abb.: Susanna Schoenberg, Detail aus: no pronoun – eine Studie, 2024
Stille Projektionen
Anne Schülke
Die Künstlerin Anne Schülke (Düsseldorf) ist 2024 Gast im QaH und organisiert die Ausstellungsreihe Stille Projektionen: Vier Wände. Drei Projektionen. Ein Text. In diesem räumlichen und technischen Setting entstehen vier Visualisierungen. Eingeladen sind Thyra Schmidt (Düsseldorf), Susanna Schoenberg (Köln), Swinda Oelke (Frankfurt/M) und Hanna Koch (Düsseldorf).
Die poetischen, beobachtenden, reflektierenden und analytischen Arbeiten handeln von Intimität und Begegnung, Innenräumen und Umgebungen, Bezeichnung von Körpern durch Sprache und der Rolle der Technik. Sie werden begleitet und ergänzt von Kommentaren: Vier Künstler:innen, die ein Studio oder Stipendium im QaH haben oder hatten, reagieren am jeweils letzten Ausstellungstag auf die Arbeit ihrer Kollegin. Der Medienwissenschaftler Stephan Trinkaus bringt im Laufe des Jahres einen diskursiven Kommentar ein. Im Zentrum der Reihen stehen also, neben der Vorstellung von vier künstlerischen Positionen, Austausch und Annäherung: Welche Formen der Begegnung werden sich entwickeln?
no pronoun
Susanna Schoenberg
Die Mehr-Kanal-Videoinstallation zeigt abstrahierte Personen, deren Handeln und Präsenz im Ausstellungsraum Q18 inszeniert und aufgenommen wurden. Für die Ausstellung no pronoun werden die Videoaufnahmen im Q18 so projiziert, dass sie dem Raum weitere Perspektiven und Möglichkeiten der Anordnung hinzufügen: Zu sehen ist ein stilles Aushandeln von Beziehungen und Positionen, die in der Artikulierung der Pronomen „ich“, „sie“/ihr“ und „wir“ entstehen.
Susanna Schoenberg schreibt über ihre Installation:
„no pronoun will die Realität von Pronomen hinterfragen: Augenblicke in Szene setzen, in denen das Fürwort entsteht, insbesondere das „we“, „she“ und „me“.
Pronomen sind die sublimierten und nicht immer reflektierten Verkörperungen von unmittelbaren wie komplexen Operationen der Realitätsbildung; sie beinhalten die im Augenblick emergente Realität darüber, wer gerade spricht und an wen jemand oder wer gerade denkt, in dem ein Wer mit einem Wem eine Form der Allianz oder der Relation bildet: die Relation zu einer Zuhörerschaft, die verstehen kann; die Allianz mit einer Zuhörerschaft, die willig ist, als solche zu wirken. Oder eben die Identität mit den eigenen Gedanken.
no pronoun ist jenen Augenblicken gewidmet, an denen die Wahl und der Einsatz des Fürworts die Realität im Hier und Jetzt (er)neu(t) definiert.“
Im Rahmen der Finissage kommentierte der Künstler Hans Diernberger Susanna Schoenbergs Arbeit. Er schreibt:
„Wenn ich über Susannas Arbeiten und Fragen nachdenke, denke ich an Machtverhältnisse, Sichtweisen, Interpretationen und Sehgewohnheiten. Die automatische Verknüpfung von Gesehenem und seiner Interpretation suggeriert eine Realität, die nicht immer eindeutig oder „wahr“ ist. Wir glauben zu wissen, was wir sehen. Aber allzu oft wissen wir es nicht wirklich. Auch der Kontext spielt eine Rolle – ein und dasselbe kann in verschiedenen Kontexten völlig unterschiedlich gesehen und interpretiert werden.
Während ich für Susanna das „wir“ performte, interpretierte ich den Ausstellungsraum als Bühne. Auf diese Bühne wollte ich ein Pferd stellen – wohl wissend, dass Pferde auf Bühnen den Schauspieler:innen die Show stehlen. Aber es geht mir nicht darum, im Mittelpunkt zu stehen, sondern darum, das „wir“ zwischen den Spezies in Susannas Arbeit zu integrieren.
Mich interessiert das Kräfteverhältnis zwischen Wahrheit und Interpretation. Die Darstellung eines Pferdes in der Kunstgeschichte wird fast immer mit Macht, Männlichkeit, Dominanz, Sieg, Krieg, Stärke, Obrigkeit, Tradition und Autorität gleichgesetzt. Es gibt kaum Alternativen zu diesem Narrativ. Um diese Lücke zu füllen, wird dem Pferd schnell ein imaginäres Horn aufgesetzt, denn Einhörner stehen in der Regel für Reinheit, Unschuld, Freiheit, Sanftheit oder Magie. Aber leider gibt es keine Einhörner.“
Susanna Schoenberg wurde in Faenza geboren und ist in Bozen aufgewachsen, sie hat in Mailand und Berlin gelebt, seit 1999 arbeitet sie in Köln. In ihrer künstlerischen Praxis setzt sie einen Schwerpunkt auf Filmpraktiken, Medien und Performance. Ihre formalen Interessen gelten der Kontingenz, der Übersetzung, der nicht-linearen Narration, dem Transfer, der Intermedialität. Ihre künstlerische Produktion umfasst experimentelle Videos und Videoinstallationen, öffentliche Aktionen und technische Setups. Zudem lehrt und forscht Susanna Schoenberg in den Bereichen Medienkunst, künstlerische Forschung, Forschungsmethodologie, visuelle Soziologie und dokumentarische Techniken an Hochschulen und Universitäten im In- und Ausland. Seit 2014 ist sie Dozentin für Mediale Realität und Performance an der Kunstakademie Düsseldorf. Sie produziert in verschiedenen kollaborativen Zusammenhängen wie arte-e-parte, re-active platform und der Rheinischen Sektion der Kompostistischen Internationale.
Hans Diernberger (er/ihn, Medienkünstler, *1983 in München) hat Medienkunst an der Kunsthochschule für Medien in Köln studiert und anschließend einen Master of Fine Art am Goldsmiths College in London abgeschlossen. Er wurde 2009 mit dem Spiridon-Neven- DuMont Preis ausgezeichnet und war 2012 SVpendiat in der Villa Aurora in Los Angeles. Es folgte ein individuelles AuslandssVpendium nach Japan, sowie die Goethe InsVtut Vila Sul Residency in Salvador, Brasilien 2018. Seine Ausstellungen verschmelzen Performance, Video, Fotografie und InstallaVon auf eine sehr persönliche und experimentelle Art und Weise. Seine Zusammenarbeit „#360baleado“ mit dem Klangkünstler Will Saunders wurde 2021 für den Kölner Kulturpreis nominiert. 2022 haben die beiden das BONANZAFEST ins Leben gerufen, Deutschlands erstes FesVval für trans* und nicht-binäre Kunst und Performance, das 2024 an die trans* Community übergeben wurde.
Geöffnet
Donnerstags und Sonntags, 15–18 Uhr. Vom 6. bis 22. September 2024.
Vernissage
Donnerstag, 5. September 2024, 19 Uhr
Finissage
Sonntag, 22. September 2024, 15–18 Uhr
Mit einem Kommentar von Hans Diernberger
Kontakt: Margrit Miebach, margrit@qah.koeln
Die Ausstellung wird im Rahmen des Kurator:innenprogramms c/o Q18 realisiert und durch das Kulturamt der Stadt Köln gefördert.