Thomas Musehold … kurze Leben, angetroffen im Zufall der Bücher und der Dokumente


„Diesem wurzelspitzenähnlichen Gebilde fehlen zwei grundlegende Bestandteile. An der Spitze fehlt die Kalyptra (Wurzelhaube) und im Inneren das Plerom (Zentralzylinder). Die Oberfläche ist von glatter Natur, die Wurzelhaare fehlen vollkommen. Der oberirdische und unterirdische Teil wird durch einen Wulst getrennt…“ (M. Wernado, Diplombiologe)

Thomas Musehold ist Bildhauer und entwickelt unter anderem Kleinplastiken aus abgegossenen und modifizierten Fundstücken. Nicht selten rufen diese zunächst Naturformen wach, welche sich visuell jedoch als stilisierte, lackierte und hoch ästhetisierte Skulpturen durchsetzen – Formgebung und Materialität scheinen in keinem natürlichen Verhältnis zu stehen. Vielmehr lässt ihre stoffliche Konformität an 3D-Drucke oder Computersimulationen denken. Spiegeltische, welche die Objekte in ihrer kühlen Präsenz unterstützen, öffnen einen virtuellen Raum in die Tiefe und werden gleichzeitig zum quasi wissenschaftlichen Support ihrer Untersuchung von allen Seiten.

Der Künstler spielt mit verschiedenen Ebenen der Bedeutungszuschreibung, welche sich nicht mehr nur auf die visuelle Sprache der Bildhauerei und ihrer räumlichen Inszenierung beschränkt. Mit der Einbeziehung wissenschaftlicher Erstbeschreibungen, wie sie von Biologen bei der Erforschung einer neuen Pflanzenart verfasst werden, wird die Rezeption der Artefakte durch das Medium Text abermals in eine naturwissenschaftliche Richtung gelenkt.
Das Rezitieren der Texte durch Kinder und Jugendliche, die während der Eröffnung wie aus dem Nichts erscheinen, transportiert entsprechende inhaltliche Informationen in avanciertem Fachjargon körperlich und stimmlich direkt in den Ausstellungsraum. Die wissenschaftlichen Beiträge setzen aufgrund eines verbindlich festgelegten Vokabulars auf die allgemeine Verständlichkeit innerhalb ihrer Disziplin, wodurch nicht nur die Ambiguität der beschriebenen Objekte potenziert wird, sondern vor allem die Künstlichkeit der Situation ein irritierendes Moment darstellt. Wo schon Formassoziation und Beschaffenheit der Exponate sich nicht in gewohnter Manier zu ergänzen scheinen, ist auch die Verbindung von Gesprochenem und Sprecher hier völlig widersinnig.
Angeleitet durch den Künstler und die Theaterpädagogin Tanja Grix unterliegt das Gesagte weder inhaltlich noch (körper-)sprachlich einer natürlichen Reaktion oder einem adäquaten Wissenstand und Sprachgebrauch der jungen Leute, sondern ist Ergebnis einer vorgegebenen und einstudierten theatralen Inszenierung.

Gedanken zum Wesen der Dinge, zur „Macht des Wortes“, den Parametern von Kunst und Künstlichkeit, zur Subjektivität von Wahrnehmung, aber auch zum transformativen Potenzial von Medium, Rezeption und Interpretation etc. kommen mit diesem multidisziplinären Kooperationsprojekt zum Tragen.

Ein Gespräch mit dem Künstler, der Kuratorin, Tanja Grix (Theaterpädagogin) und M. Wernando (Diplombiologe) zur Finissage am 23. Juni gibt Aufschluss über den gemeinsamen spartenübergreifenden Arbeitsprozess und lässt Raum für Fragen und Assoziationen.