Katerina Kuznetcowa & Alexander Edisherov – Des Illus Ion


Im Rahmen Ihrer Ausstellung Des Illus Ion realisieren Katerina Kuznetcowa und Alexander Edisherov ein dreidimensionales Triptychon, das sich vom Inneren Ausstellungsraum zum Außengelände des Atelierhauses zieht. Inhaltlich begeben sie sich mit drei Skulpturen auf die Suche nach einer bildnerischen Antwort auf bestehende Rätsel der Kultur- und Naturwissenschaften: Sie beschäftigen sie sich mit der Art und dem Sinn von schwarzen Löchern oder verfolgen den Werdegang des Menschen bis zur ersten verzeichneten logischen Handlung zurück. Hierbei steht die Frage zentral, in wie weit das Sichtbare die Vorstellungskraft bedingen oder inwiefern das, was unvorstellbar bleibt, doch bildnerisch aufgegriffen werden kann.

Verbunden an diese Frage haben sie sich der Analyse der Desillusion gewidmet. Fläche, Raum und Ausstellungstitel gliedern die Künstler hierfür in drei Teile, äquivalent für drei Stadien der Empfindung der Desillusion: Illusion, Realität und Hoffnung. Thematisch erstreckt sich die Desillusion von der resignierenden Enttäuschung, die in der Illusion bereits wurzelt, bis zu der Hoffnung, durch die Anerkennung der Realität eine positive Neuordnung der Dinge bewirken zu können.

Als Mittelstück des Triptychons ist ein sechs Meter langes Wandobjekt in der Mitte des Ausstellungsraumes platziert, das aus schwarzen, ineinander verwobenen Stoffbändern besteht. Beim Vorübergehen wirft die tiefschwarze Fläche an jedem Standpunkt ein anderes Bild zurück. Je nachdem, wie die Reflektion des Lichtes in das Auge des Zuschauers trifft, heben sich unterschiedliche Quadrate und Muster sichtbar aus der aus hoch- und quergewebten Bändern zusammengesetzten Fläche ab oder verschwinden wieder im Dunkel. Das satte Schwarz, das alles enthält, doch kaum etwas preisgibt, ist eine Abbildung des Universalen. Diese Arbeit steht für einen universalen Informationsträger, der gleich einem schwarzen Loch eine unvorstellbar große Menge an Materie, Wissen und Informationen auf kleinstem Raum verdichtet. Die Machart des Webens verbindet diese Arbeit aus dem Jetzt mit dem Ursprung handwerklicher Logik. Das Weben lässt sich, noch vor dem Töpfern oder Flechten, als die erste logische Handlung des Menschen zur Erstellung von komplexen Objekten zurück datieren und hat sich in seiner Art in den letzten 32.000 Jahren unverändert, nur inzwischen verfeinert, in allen Bereichen unseres Lebens gehalten.

Ein amorphes Objekt gegenüber der Webearbeit, das inhaltlich als Seitenflügel einzuordnen ist, führt die These weiter, dass nicht alles Vorstellbare verbildlicht werden kann. Das Objekt, das sich unscheinbar an eine Wand aus rohem Sichtbeton schmiegt und sich an einer Stelle ahnungsvoll von dieser in den Raum wölbt, beherbergt die vielen unvollendeten Gedanken, die das hoffnungsvolle Potential der Zukunft tragen. Es steht für ein mit Worten und Bildern nicht direkt bezifferbares Potential das zum Greifen nah scheint, aber noch nicht materielle Wirklichkeit geworden ist. Ist es denn trotzdem Vorhanden oder nur Illusion? Überraschung, Irritation und schließlich die realistische Hoffnung auf einen im Verborgenen schlummernden Hinweis, bezeichnen diese Arbeit.

Das zweite Seitenteil des Triptychons, eine meterhohe Skulptur im Außenraum mit dem wortverspielten Titel „In der Hoffnung, Rhein zu sehen“, entpuppt sich als skulpturale Abstraktion eines Fernrohres. In die an den Ausstellungsraum grenzende Wiesenfläche sind übermannshohe Holzbalken eingelassen, die ein Wickelfalzrohr mit der Blickrichtung gen Westen tragen. Dort soll der Rhein liegen, dessen örtliche Nähe zum Atelierhaus vor etwas mehr als vier Jahren Inspiration für ein engagiertes Marketingteam bot. Nicht selten stellen Besucher des Hauses jedoch die findige und berechtigte Frage ‚wo denn der Hafen sei‘ –  weckt der Name des Atelierhaus Quartier am Hafen doch eine Erwartung, die nicht direkt erfüllt werden kann, analog zu dem verschlungenen Charakter der Des-illus-ion. Augenzwinkernd enttarnt diese Skulptur das, was Wirklich schien, als bloße Wirkung und erinnert daran dass manches von dem, was Wirklich ist, mit dem bloßen Auge nicht direkt wahrnehmbar ist. Dieser Twist führt die Gedanken zurück zum Mittelstück, dessen illusionistische schwarze Fläche Realität und Vorstellung zugleich ist.

Kuznetcowa und Edisherov stellen mit dieser Ausstellung, über die bildende Analyse der Desillusion, drei Thesen über das Wissen zu Diskussion. Sie thematisieren Wissen, das geahnt werden kann, Wissen, das erschlossen werden kann und Wissen, das mit Worten nicht gegriffen werden kann, da es zu universell, zu perfekt oder zu abstrakt für die Vorstellungskraft des menschlichen Geistes ist. Nur das Abbild dieses universellen Wissens das sich auf der perfekt gewebten, sechs Meter langen Fläche  durch den Raum zieht und das Prinzip der Wissensverdichtung verbildlicht,  kann sich materialisieren.

Sie stellen sich dem intensiven Denkprozess, dem sich Philosophen, Physiker  oder Mathematiker seit jeher stellen um sich etwas vor zu stellen, das unvorstellbar ist, da es die bestehenden Dimensionen und logischen Regeln des menschlichen Lebens bricht. Als Künstler an diesem Prozess beteiligt, genießen sie den Vorteil sich keiner einzelnen, schlüssigen Theorie verpflichten zu müssen. Stattdessen können sie Logik, Gefühl und Umgebung frei verknüpfen – um so einen neuen Sinn zu weben. Frei und voll von Illusionen.

Das Künstlerduo Katerina Kuznetcowa (*1974 in Smolensk / Russland) und Alexander Edisherov (*1973 in Tiblisi / Georgien) wurden zur vierten Ausstellung 2014 in den Ausstellungsraum Q18 des Quartier am Hafen eingeladen, um eine ortsspezifische Arbeit zu entwickeln. Sie schlossen ihr Studium an der Kunstakademie Münster als Meisterschüler der Professoren Maik und Dirk Löbbert 2006 bzw. 2007 ab und arbeiten seit 2010 als untrennbare künstlerische Einheit zusammen.

In den vergangenen Jahren haben sie gemeinsam ein konsistentes Oeuvre geschaffen, das sich meist großflächig und pointiert im (teil)öffentlichen Raum manifestiert. Die Abstraktion ist ein wichtiges Stichwort für die Beschreibung Ihrer Arbeiten, die jedoch nicht als Selbstzweck sondern als Konsequenz zu verstehen ist. Die Künstler formulieren Fragen zu spezifischen örtlichen Gegebenheiten, die sie durch Ihre Skulpturen und Interventionen mal direkt, mal übergeordnet beantworten.

Lisa Bensel Dezember 2014

Diese Ausstellung wurde ermöglicht durch die freundliche Unterstützung des Kulturamtes der Stadt Köln und Westwerk Immobilien.

Eine gedruckte Dokumentation ist erhältlich.

Abbildungen © Kuznetcowa & Edisherov 2014
www.kalexjata.com